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In weiter
Ferne so nah
© Dr. Maria Linsmann (Museum Burg Wissem Troisdorf)
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Benedikt Birckenbach ist einer der wenigen Bildhauer der
jüngeren Generation, der seit einer Reihe von Jahren
konsequent und mit einem großen Gespür für die Eigenschaften
dieses Materials den Werkstoff Holz bearbeitet. Bereits
während seines Studiums wandte er sich diesem Material zu,
doch scheint es, dass sich über die Jahre der
Auseinandersetzung seine Beziehung zu diesem Werkstoff
entwickelt, intensiviert und sensibilisiert hat.
In seinen frühen collagierten Skulpturen, denen man noch den
Einfluss seines Lehrers Tim Scott anmerkt, verzichtet
Benedikt Birckenbach weitgehend auf eine inhaltliche
Reflektion über die Herkunft des Materials Holz. Vielmehr
umkreist er klassische bildhauerische Fragen von Form und
Komposition: das Verhältnis von Körper und Raum, von Linien
und Körper, von Hülle und Kern, von Schwere und
Leichtigkeit, von Stehen und Liegen. Vor allem in der Art
und Weise seiner Bearbeitung bleibt das Spezifische dieses
Materials erkennbar: So entsteht die Form seiner Arbeiten
durch das Wegnehmen von Holz, dessen Oberfläche rau und
unbehauen belassen wird. Die Spuren der Kettensäge bleiben
sichtbar, es wird nicht geschmirgelt, geglättet oder
poliert. Furchen, Kanten und Risse, Einkerbungen und
Verletzungen vermitteln eine Vorstellung von der
Ursprünglichkeit und Direktheit des Schaffens- und
Entstehungsprozesses. Die Herkunft des verwendeten
Materials, seine Geschichte und damit seine Ursprungsform
als Baum ist in ihnen als Formanspielung zwar spürbar,
spielt in diesen raumgreifenden Skulpturen mit ihren
Verschachtelungen allerdings nur eine untergeordnete Rolle.
Im Jahre 2000 begann Birckenbach dann erstmals mit einer
Werkgruppe, die sowohl in der formalen Gestaltung als auch
in ihrem Titel ausdrücklich Bezug nahm auf die spezifische
Materialität des von ihm verwandten Werkstoffes, auf sein
Wachstum und die damit verbundene Zeit, sowie dessen Ende
als Baum. „Wald, Hochwald, Holzfällen eine Erregung“,
besteht aus senkrecht aufgerichteten, grob gesägten Balken
mit quadratischer Grundform, deren Höhe zwischen 4 Metern
und wenigen Zentimetern variiert. Ein Teil dieser Balken ist
gelb gefasst, andere weisen keine farbliche Bearbeitung auf.
Am oberen Ende dieser Balken hat Birckenbach das Holz in
Form eines unregelmäßigen, gemessen an der Höhe vieler
Balken relativ kleinen Bogens stehen lassen. Diese Bogenform
ist für ihn ein Sinnbild des Energieflusses innerhalb eines
Baumes. Beim Betrachter entsteht die Vorstellung, dass
dieser Bogen nicht einfach oben herausschaut, sondern den
gesamten Balken von oben nach unten durchläuft und so
gleichsam die Energie durch den Balken/Baum transportiert.
Mit der vertikalen Aufstellung und der lockeren Verteilung
der Balken im Raum lässt diese Arbeit an einen Wald denken,
in dem man zwischen den Bäumen hindurchschreiten kann. Sie
verweisen darüber hinaus auf eine Grundform für Holz
überhaupt, die Transformation vom runden Baum zum
quadratischen Balken. Das Wachstum behauptet sich in der
Bogenform am oberen Ende, in der dieser wieder „austreibt“.
Bei diesen Arbeiten Benedikt Birckenbachs sind Parallelen
zum Werk des italienischen Arte Povera-Künstlers Giuseppe
Penone unübersehbar. Im Rahmen seiner künstlerischen
Auseinandersetzung mit Naturprozessen und Naturmaterialien
hat sich Penone über einen Zeitraum von über dreißig Jahren
immer wieder mit dem Thema „Baum“ beschäftigt. Aus der
spröden Funktionalität von Holzbalken schält er die
ursprünglichen Baumformen heraus, kehrt somit den üblichen
Verwertungsprozess um und verweist zugleich auf das Werden
und Vergehen als Daseinsprinzip.
“Es gilt, die Wirk- und Gestaltungskräfte der Natur im
und über das Kunstwerk erfahrbar zu machen, ein Anspruch,
den Giuseppe Penones Bäume seit den sechziger Jahren
programmatisch formuliert haben“, schreibt Christoph
Schreier 1997. (Zitat aus dem Katalog, Giuseppe Penone, Die
Adern des Steins, 1997, S. 14) Benedikt Birckenbachs
„Wald-Hochwald“ weist Bezüge zu Penones Werk „Den Wald
wiederholen“ auf, jedoch ist Birckenbachs Arbeit in einigen
Punkten anders. Während Penone aus einem Balken den
realistischen Baumstamm mit seinen Ästen herausschält,
verweisen Birckenbachs Balken nur im abstrakten Sinne zurück
auf dessen Urzustand als „Baum”. Zusätzlich thematisiert
Birckenbach das erneute Fällen und das damit verbundene
Chaos in seinem Konzept. So stellt er Chaos und Ordnung
einander gegenüber.
Interessante Parallelen ergeben sich auch zwischen
Penones „Bäumen”, einer Arbeit, die er mehrfach in
unterschiedlicher Länge ausgeführt hat und Birckenbachs
„Johanna-“ bzw. „Johannistrieb”, (2003 bzw. 2005),
(botanisch: Bezeichnung für das wiederholte Austreiben eines
Baumes oder Strauches). Penone richtet seine aus einem
Balken herauswachsenden, bis zu 12 Meter hohen „Bäume”
vertikal in Museen und Ausstellungsräumen auf. Ähnlich
verfährt Birkenbach im Jahre 2005 mit seiner großen Arbeit
„Johannistrieb” auf der Landesgartenschau in Leverkusen.
Hier wurde zunächst ein gewaltiger Baum im Kölner Dünnwald
gefällt. Dieser wurde anschließend in Leverkusen im Boden
verankert und dann vom Künstler mittels Kranwagen und
Kettensäge in die charakteristische Balkenform mit
bogenhaftem Austrieb überführt. Der gesamte Balken wird gelb
bemalt, wobei diese Farbe ebenso wie der Titel Licht,
Energie und Energiefluss versinnbildlicht. Auch das Werk
„Johannatrieb”, eine von Kronen und Ästen befreite und in
die charakteristische, austreibende Balkenform gebrachte
Zeder im Garten von Haus Brünnig in Aachen, leuchtet schon
von weither in strahlendem Gelb.
Während der bogenartige Austrieb bei diesen beiden bis zu 20
Meter hohen Arbeiten weit entfernt und entrückt vom
Betrachter steht, ist er in der Werkgruppe „In weiter Ferne
–so nah” – wie schon im Titel angedeutet- nah an diesen
herangerückt. Diese Werkgruppe, die Birckenbach seit 1999
verfolgt, besteht aus hölzenern Kästen, die er aus dicken
Baumstämmen heraussägt und anschließend mit dem Beitel von
Innen aushöhlt. Der Innenraum dieser in ihrer Größe
variierenden Kästen, die in Gruppen zu zwei oder drei
Exemplaren zusammengehängt werden, ist also nicht gebaut,
sondern durch das Wegnehmen, das Herausstemmen des Holzes
entstanden. Innerhalb der Kästen, in deren Innenraum der
Arbeitsprozess ablesbar bleibt, befinden sich fragile, aus
dem Holz herauswachsende Bogenformen, die quasi als
Verselbstständigung der beschriebenen Bögen in den früheren
Arbeiten Birckenbachs erscheinen. Diese Bögen stehen unten
auf dem Boden der Kästen, sie wachsen aus der Decke heraus
und hängen in den Innenraum hinein oder sie ragen aus den
Seiten ins Kasteninnere. Wie auch die Bögen in Birckenbachs
anderen Arbeiten vermitteln auch diese Elemente den
Eindruck, als wüchsen sie aus dem hölzernen Rahmen heraus
und liefen auch wieder in diesen zurück. Mal zu zweit, meist
aber zu mehreren im Inneren des Kastens angeordnet
überschneiden und überlagern sie sich und entwickeln
innerhalb des abgegrenzten Innenraumes des Kastens eine je
eigene Dynamik und ein spezifisches Spannungsverhältnis. Die
Fragilität und Zartheit der Bögen kontrastiert die
Massivität der Kästen und die Kraft des aus ihnen ablesbaren
Herstellungsprozesses. Der Rahmen der Kästen ist massiv,
schwer und zumeist weiß gefaßt, wodurch die Trennung
zwischen Innen- und Außenraum zusätzlich betont und
verstärkt wird. Obwohl die Arbeiten in keiner Weise
illustrativ sind, hat man bei der Betrachtung der horizontal
oder auch vertikal an der Wand gereihten Kästen dennoch den
Eindruck einer gewissen Narrativität. Die Arbeit in ihrer
Gänze scheint eine Geschichte zu erzählen von der Variation
der immergleichen Elemente, vom Verhältnis von Material und
Herstellungsprozeß, vom Wechselspiel zwischen Innen und
Außen, von der Wirkung des Naturmaterials und dem Eingreifen
des Künstlers. Bei aller Konkretheit ihrer Erscheinung
bleibt “In weiter Ferne so nah” dennoch offen für die
unterschiedlichen Assoziationen des Betrachters.
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